FR 5. NOV

16.30

Filmscreening: Trouble von Mariah Garnett
Eingeladen von Kathrin Wojtowicz

© Mariah Garnett

Galerie der Stadt Schwaz
Franz-Josef-Straße 27
6130 Schwaz

T +43 (0) 5242 739 83
www.stadtgalerieschwaz.at

MI, DO, FR  12:00 – 18:00
Samstag  10:00 – 15:00
SO–DI geschlossen

Screening

D      Mariah Garnett, Trouble, US/GB 2019, 83 min

Die Künstlerin Kathrin Wojtowicz zeigt im Zuge der Premierentage 2021 den Film „Trouble“ (Trailer) von Mariah Garnett im Mathoi-Haus in Schwaz. Anschließend findet ein digitales Gespräch mit Mariah Garnett und Kathrin Wojtowicz statt. 

In Trouble verknüpft Mariah Garnett die Recherche nach der eigenen Familiengeschichte mit fiktiven Szenen, tagebuchartigen, dokumentarischen Aufzeichnungen und historischen Aufnahmen aus dem Nordirlandkonflikt. Der Film beginnt in Wien, wo die Künstlerin ihren Vater kennenlernt, der Belfast in den Siebzigerjahren aus politischen Gründen verlassen musste. Sie konfrontiert ihn mit einem BBC-Bericht aus jener Zeit, der seine Identität für eine gesellschaftlich brisante Lovestory verwertete und damit verheerende Folgen auslöste. Das Fernseh-Footage entwickelt sich zu einem zentralen Ausgangspunkt für Garnetts filmische Auseinandersetzung mit Dokumentation, Narration und der Darstellung von Geschichte. Dabei ist ihr Zugang ein queer-feministischer: Konstruktionen von „Wahrheit“ und eindeutigen Identitätszugehörigkeiten werden hinterfragt, das Verhältnis zur eigenen Position wird offengelegt, die Zuordnung zu einem bestimmten filmischen Format verweigert, die eigene Person letztlich involviert.

Die Filmemacherin reist nach Belfast und beginnt die Stadt anhand der Erzählungen des Vaters zu erkunden. Sie sucht nach Orten und Menschen aus seinen Erinnerungen und zeigt die eigenen Erfahrungen, die sie dabei macht: Mariah Garnett interviewt ehemalige Mitstreiter*innen der Bürger*innenrechtsbewegung, telefoniert mit Verwandten, kreuzt die verfeindeten Viertel mit ihren Bewohner*innen und findet sich prompt in den strukturellen Folgen des Konflikts. Auswirkungen von Toxic Masculinity und exerzierten weißen Überlegenheitsfantasien rücken bei den ideologisch geprägten Paraden, militanten Ausschreitungen und riesigen Feuern, den Bonfires um den 12. Juli, massiv ins Bild. Kontrastiert werden sie mit Perspektiven aus einer anderen Community: Aufnahmen einer queeren Bühnenshow zeigen Parodien, in denen virtuos über die nationalistischen, militärischen Slogans und rechten Identitätsmuster gespottet wird. Die bemerkenswerte Zusammenarbeit mit den Darsteller*innen aus Garnetts Wahlverwandtschaft und die eingehende Betrachtung von so etwas wie einer Wahrheitsproblematik scheint auch an einer anderen Stelle auf, wenn sie die Struktur der historischen BBC-Sendung mit ihrem Vater aufgreift und ein bewusstes Fake-Moment in den Film bringt. Die Künstlerin reinszeniert sich als ihr eigener Vater auf den Straßen und in den Bars. In ihrer Wiederholung der Story nutzt sie die Möglichkeit, die eingeübten Gesellschaftsbilder und Rollen zu verändern und deren Begrenztheit so bewusst zu adressieren und zu durchbrechen. Sie besetzt die Rolle der Freundin mit Transfrau Robyn, die sich, wie sie in einer Szene sagt, als katholisch erzogene Belfasterin mit protestantischem Freund in gewisser Weise selbst darstellt. Mariah Garnett performt im stilisierten Siebziger-Outfit zu den erzählten Erinnerungen ihres Vaters ein Playback in den Kulissen der Stadt und entwirft damit eine tragisch-komische Version der gemeinsam geteilten Geschichte/n einer großen dysfunktionalen Familie.

Veranstaltungsort:
Mathoi-Haus, Innsbrucker-Str. 17, Schwaz

 

E      In Trouble, Mariah Garnett ties research into her own family history with fictional scenes, diaristic recordings and historical footage about the conflict in Northern Ireland. The film begins in Vienna, where the artist meets her father, who had to leave Belfast in the 1970s for political reasons. She confronts him with a BBC report from that period, which made use of his identity for a controversial love story, which resulted in devastating consequences. The television footage develops into the central premise for Garnett’s cinematic investigation of documentation, narration, and the way history is represented. In this, she takes a queer-feminist approach: questioning constructions of “truth” and unambiguous identities, revealing the relation to her own positionality, refusing to ascribe to a particular cinematic format, and ultimately implicating herself.

The filmmaker travels to Belfast to explore the city through her father’s stories, seeking out the places and people described in his memories and documenting her own experiences. Garnett conducts interviews with former comrades-in-arms of the civil rights movement, makes phone calls to relatives, traverses hostile neighborhoods with their residents, and promptly finds herself in the structural aftermath of the conflict. The ideological parades, militant riots and huge bonfires around the 12th of July bring the impact of toxic masculinity and white supremacist fantasies to the fore. These are contrasted with perspectives from a different community: footage of a queer stage show parodying nationalist, militaristic slogans and right-wing identity markers to masterful effect.

The remarkable collaboration with the performers from Garnett’s chosen family and the careful consideration of something akin to a problem of truth also shines through at another point, when she adopts the format of the historical BBC broadcast about her father, bringing a deliberate fake moment into the film. The artist stages herself as her own father on the streets and in bars. In her reiteration of the story, she takes the opportunity to alter the ingrained social roles and clichés, consciously addressing their limitations and dismantling them. In the role of the girlfriend she casts trans-woman Robyn, who in a sense portrays herself as a Catholic-educated, Belfast woman with a Protestant boyfriend. Against the backdrop of the city, Mariah Garnett mimes to a pre-recording of her father’s narrated memories in stylized, seventies attire, creating a tragicomic version of a large dysfunctional family’s shared narrative(s).

Mariah Garnett, Trouble, US/GB 2019, 83 min

Text by Kathrin Wojtowicz